Theater-Tipps:
Effekte in Séance um Mitternacht

Logo

Séance um Mitternacht

Im 2006 gespielten Stück "Séance um Mitternacht" wurden viele technische Effekte realisiert. So fielen Bücher durch ein Klatschen motiviert von Regalen, bewegte sich ein Servierwagen ohne Berührung und verlöschten Kerzen ohne das Zutun der Darsteller auf der Bühne. Wir möchten hier nun - nach Abschluss der Saison - zeigen, wie wir diese Effekte realisiert haben.

Die meisten Effekte wurden in gemeinsamer Runde der üblichen Verdächtigen im Rahmen von Bühnenbau und Technik erdacht und geplant; ein ganz großer Dank gebührt dabei Christian Marg, der mit seiner Kreativität vielen Ideen überhaupt erst den Anstoß gab oder diese mit einer großen Portion Perfektionismus und Akribie selber realisierte.

Das Video "Bühneneffekte 2006"

Wir haben uns gedacht, dass auch wir irgendwann einmal anfangen müssen, wenigstens etwas multimedial auf unseren Webseiten zu werden. Es bot sich an, die Video-Premiere mit der Darstellung und Erklärung der eingesetzten Effekte zu begehen, da uns eine einfache "Bildershow" dazu ein wenig langweilig schien.
Alle im Video gezeigten Effekte sind im Folgenden auf dieser Seite auch ausführlich per Text erklärt. Das Video zeigt eine Aufnahme der Effekte in ihrer Gesamtwirkung sowie einige Details.

Die Anzeige erfolgt als HTML5-Video mit Flash-Fallback für ältere (mobile) Browser.
Sollten Sie das Video wider Erwarten nicht sehen können, informieren Sie uns bitte darüber.
Die alte Einbindung mit Flash-Videoplayer bieten wir Ihnen hier.

Der Tisch

Der Séance-Tisch

In diesem Stück wurde ein Tisch benötigt, der für die Séancen als Herzstück der Inszenierung herhalten musste. Auf ihm befanden sich eine Kugel, die in manchen Szenen geheimnisvoll leuchten sollte, sowie fünf Kerzen. Letztere sollten in speziellen Situationen von Geisterhand verlöschen.

Das Leuchten der Kugel war - wie sich der geneigte Leser sicherlich auch selber schon denkt - relativ simpel zu verwirklichen: Eine Lampe, bei uns in blau, leuchtet durch ein Loch in Tischplatte und -decke von unten in die Kugel, die sowieso der "Schirm" einer Nachttisch-Lampe war. Außer der Feinjustierung der Lampe (letztendlich musste diese gegen die Vorderseite der Kugel gerichtet werden, da nur dann ein ausreichend deutlicher und publikumswirksamer Effekt erzielt werden konnte), war hier wenig spektakuläres zu tun.

Die Kerzen

Kerze, Flamme und Messingrohr

Wesentlich weniger simpel gestaltete sich das Löschen der Kerzen ohne Zutun der Darsteller. Es standen viele Möglichkeiten zur Debatte - von Wassereinspritzung über CO2 als Löschgas bis hin zu nach unten herausziehbaren Dochten war so einiges dabei, was jedoch leider fast komplett nur schwer, fehlerträchtig, unsicher in Brandschutzfragen oder kostenintensiv realisierbar war.

Wir entschieden uns für den Einsatz einfacher Druckluft (bei 8 Bar), die irgendwie als kräftiger Strahl auf die Flamme zu richten war. Die vielen Zwischenschritte des Entwurfs werden wir hier nicht vollständig ausbreiten, die letztendlich ausgeführte Lösung war jedoch nicht nur genial sondern auch noch relativ simpel: Die Kerzen wurden der Länge nach mit einem Messingrohr versehen, dessen oberes Ende umgeknickt wurde. Dieses Messingrohr lenkte die Druckluft direkt auf den Docht, wodurch die Kerze tatsächlich "ausgepustet" werden konnte.

Kerze und Übergang zum Tisch

Der Anschluss der Kerze an den Tisch war bei der tatsächlichen Realisierung ebenfalls recht einfach: Runde Vertiefungen in den Kerzenböden mündeten in ihrer Mitte in das Messingrohr. Diese Vertiefungen wurden sodann auf etwa einen Zentimeter über den Tisch hinausragende Schlauch-Abschnitte gestellt (ohne weitere Dichtung). Um eine bessere Fühlbarkeit des korrekten Stands zu gewährleisten, wurden diese Abschnitte etwas größer dimensioniert (8mm Wasserschlauch), die Druckluft selber wurde in 4mm-Druckschläuchen bis zum Übergang vom Tisch zur Kerze transportiert.

Der Übergang vom Tisch zur Kerze

An einen normalen Werkstatt-Kleinkompressor angeschlossen, konnte diese gesamte Apparatur mit einem elektrischen Magnetventil vom Technik-Pult aus gesteuert werden. Der Effekt war durchaus beeindruckend - solange die Kerzen nicht schon zu weit heruntergebrannt waren, denn dann sah das Publikum kaum eine Flamme in der Kerze... und damit auch nicht das Verlöschen von Geisterhand.

Der Tisch von unten

Es liest sich, als wären wir fertig mit der Beschreibung, doch nein - noch nicht. Es war faszinierend anzuschauen, mit welchen Problemen man rechnen und arbeiten muss, wenn man den so für sich genommen recht logischen Aufbau anschaut. Das ganze System war filigraner als wir dachten, denn bei den Probeläufen stellten wir fest, dass nicht nur der Druck aus dem Kompressor stimmen sondern auch die Schlauchlänge zu jeder Kerze gleich sein muss, da die Druckunterschiede sonst so groß wurden, dass manche Kerzen wesentlich zuwenig Luft abbekamen, aus anderen das heiße Wachs herausspritzte. Dem entsprechend verbauten wir gleich lange Schläuche für den Druckausgleich und achteten penibel darauf, dass die Messingrohre oben wirklich auf den Docht gerichtet waren. Weiterhin achteten wir auf saubere Übergänge zwischen Kerzen und Tisch, so dass bis auf eine doch alle Kerzen im Moment des Auslösens verloschen.

Die Wand, durch die der Geist erscheint

Die Vorhang-Wand

Der Geist des "Pilgrim O´Bryde" erscheint im Stück durch eine Wand auf der Bühne. Entsprechend muss eine solche - von einem Menschen durchschreitbare - vorhanden sein. Unsere bestand aus insgesamt drei Stellwand-Elementen, von denen die beiden äußeren fest, die mittlere nur aus Stoff war. Damit ergab sich der Gesamteindruck einer mit Stoff bespannten Wand (an der Kerzenhalter hingen), aus deren Mitte der Geist kommen konnte.

Die Vorhang-Mechanik

Während das untere Ende der Stoffbahnen fest angetackert war, wurde oben eine den Stoff straff haltende Mechanik eingesetzt. Diese bestand aus zwei außen (auf dem Rahmen der Wand) auf Schrauben gelagerten Hebeln, deren andere Seite mit einem Spanngummi nach oben gezogen wurde. So konnte der Geist durch den Vorhang schreiten ohne dass die Wand hinterher nicht mehr nach Wand aussah. Einige Meter Gaffa-Tape verstärkten den Stoff an potentiellen Bruchkanten und den Tacker-Seiten und konnten die Gleitfähigkeit der Hebel ein wenig verbessern. Eine Holz-Blende quer über die Wände versteckte Hebel und Gummi.

Der unberührt rollende Wagen

Der Wagen von unten I

"Auf das Klatschen des Geists hin bewegt sich ein Getränkewagen in Richtung Tisch." - eine solche Regieanweisung verursacht ersteinmal fragende Gesichter. Wer bringt den Wagen denn da hin?

Die Antwort war einfach: Niemand, der Wagen muss sich selber bewegen. Das "Wie" war dann schwieriger zu klären. Seilzüge über oder im Fußboden wurden angedacht, ferngesteuerte Autos und notfalls doch das Schieben durch den Geist selber wurden erörtert.

Der Wagen von unten II

Aufgebaut wurde dann etwas mehr oder weniger ganz anderes: Ein Akku-Schrauber an einer Funk-Fernbedienung mit RC-Car-Teilen brachte die notwendige Kraft mit, den Wagen auf Kommando zu verschieben. Diese Kraft wurde mit einem Holzrad, auf dessen Lauffläche Riffelgummi geklebt war, auf den Boden übertragen. Das Einstellen von Spur und Sturz waren dann leider auch nicht ganz trivial, doch in der vierten Aufführung klappte endlich alles reibungslos und das Vehikel bewegte sich auf das Klatschen hin wie geplant von Geisterhand.

Ideen und Realisierung: Christian Marg, Martin Diedrich, After Eight

17.12.2012 - © theatergruppe-after-eight.de - Impressum